NeuroGer 2009; 6 (2): 61-66 Schwerpunkt
Epilepsie bei älteren Menschen
P. Bülau Westerwaldklinik, Waldbreitbach
Zusammenfassung 1 – 2 % der über 70-Jährigen leiden an Epilepsie. Damit ist die Wahrscheinlichkeit für einen epileptischen Anfall in dieser Altersgruppe am höchsten. Neu aufgetretene epileptische Anfälle im höheren Lebensalter entstehen 30 – 40% auf dem Boden eines zerebralen Gefäßprozesses. Darüber hinaus liegen häufig komorbide internistische Erkrankungen vor, in deren Rahmen es zu epileptischen Anfällen kommen kann. Auch eine Reihe von Medikamenten, die von älteren Patienten regelmäßig eingenommen werden, weist eine epileptogene Potenz auf. Anfälle im Alter treten oft maskiert auf und sind differentialdiagnostisch gegen viele andere neurologische oder kardiovaskuläre Erkrankungen wie z. B. TIA oder Synkopen abzugrenzen. Mehr als 70% der Anfälle beginnen fokal, ein Status epilepticus kommt häufiger als bei jungen Patienten vor. Epileptische Anfälle im Alter könne in der Regel erfolgreicher behandelt werden als bei jungen Menschen. Allerdings muss generell eine höhere Medikamenten-Empfindlichkeit beachtet werden. Das ideale Antiepileptikum für ältere Patienten sollte effektiv, ohne neurologische Toxizität mit niedriger Proteinbindung und somit geringem Interaktionspotential sowie, wenn möglich, einmal täglich verabreichbar sein. Vorsichtiger Beginn, langsame Aufdosierung und möglichst niedrige Erhaltungsdosis sind dringend zu empfehlen. Eine Monotherapie ist auch wegen der allgemein geringeren kognitiven Beeinträchtigung vorzuziehen. Valproat und Carbamazepin weisen geringere kognitive Nebenwirkungen als Phenytoin, Phenobarbital oder die Benzodiazepine auf, sind aber den »neuen« Antiepileptika Lamotrigin, Gabapentin, Oxcarbazepin, Levetiracetam und Zonisamid unterlegen. Die neuen Antiepileptika weisen hingegen ein deutlich geringeres Interaktionspotential auf und sind deshalb besser für die notwendige Mehrfachbehandlung multimorbider Patienten geeignet. Das Auftreten epileptischer Anfälle mit ihrer Verletzungsgefahr und dem weiteren Verlust an persönlicher Autonomie stellt gerade für ältere Patienten eine erhebliche Verschlechterung der Lebensqualität dar und erfordert eine intensive professionelle Begleitung und Unterstützung. Schlüsselwörter: Epilepsie, Geriatrie, neurologische Differentialdiagnostik, neue Antiepileptika
Epilepsia in the Elderly P. Bülau
Abstract 1 – 2 percent of elderly people suffer from epilepsy. The incidence of epileptic seizures is at the highest at an age over 70 years. The most common cause for provoked seizures is a cerebrovascular disease with a percentage of 30 – 40. Many systemic disorders as well as a wide range of drugs commonly taken in this period of lifetime are precipitating seizures. Seizures of elderly patients often have an atypical appearance and have to be carefully distinguished from other neurological and systemic disorders like TIA or syncopes. More than 70 % of the seizures have a focal onset, a status epilepticus is more common with young people. Epilepsy at a high age responds better to treatment than in the case of younger adults, but side effects and interaction profile is higher in the former group of patients. The ideal antiepileptic drug for the elderly should be efficient, without neurotoxicity with low protein binding and lower interaction the profile and, if possible, applied once per day. The treatment should start with a low dose, titrating slowly and aiming at about half the maintenance dose as would be recommended for younger people. Valproate and cabamazepine have lower cognitive impairment than phenytoine, phenobarbitale or benzodiazepine, but perform worse compared to the newer drugs lamotrigine, gabapentin, oxcarbazepine, levetiracetam and zonisamide. The newer drugs are therefore more suitably applied to the treatment of multimorbid elderly patients in a state of polypragmasia. Epileptic seizures with their potential injuries lead to further loss of personal autonomy and a considerable decrease in the patient’s quality of life. Hence professional support is of utmost importance. key words: epilepsy, geriatrics, differential diagnosis, new antiepileptic drugs
© Hippocampus Verlag 2009
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